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Melaka

 

Etappe 41 ~ von Mo. 02.06. bis Mi. 11.06.2008

 

Am Dienstag, dem 10. Juni war ich nun den neunten Tag in dieser Stadt, auf die ich recht gespannt gewesen war. Aber von diesem geschichtsträchtigen Ort an der berüchtigten Straße von Malaka ~ von der es auch heute noch heißt, dass es gelegentlich Piratenüberfälle gibt ~ kann ich nur sagen, dass es weder etwas Aufregendes noch sonstiges Spannendes gab. Alles plätscherte irgendwie gemütlich dahin. Okay, die Innenstadt (the old city) hat ihren speziellen Reiz durch das Nebeneinander der alten dunkelroten Bauten der Holländer und den wahrscheinlich ebenso alten Häusern der anderen Nationen, die sich im Laufe der Jahrhunderte hier für eine Weile oder komplett niedergelassen haben. Aber in dieser absoluten „Low Season“ gleicht Melaka in der Woche einem verschlafenen Provinznest, in dem einige Geschäfte und viele Lokale geschlossen sind oder nur das Tagesgeschäft mitnehmen und um 18 Uhr die Bürgersteige hoch klappen, sofern welche vorhanden sind. Nur an den Wochenenden ~ wenn hauptsächlich asiatische, aber auch westliche Touristen hier einfallen ~ wirkte der Ort genauso kribbelig und lebhaft, wie andere Städte, in denen ich zuvor war. Die Stadt selber, besser der Stadtplan schien mir ziemlich chaotisch. Und so hatte ich mir nach und nach 3 unterschiedliche besorgt, die aber leider nicht übereinstimmten. Ganze Straßen fehlten, so dass es mir bis zum Schluss immer wieder Schwierigkeiten bereitete, mich anhand dieser Pläne zu orientieren, bzw. etwas zu finden.

Allerdings konnte Melaka mit den herausgeputztetsten Trishaws aufwarten, die ich bisher gesehen habe. Sie alle aus, wie aus dem Ei gepellt und kamen mit unterschiedlichsten Dachformen oder Sonnenschirmen daher und waren rundum großzügigst mit allem Möglichen dekoriert. Die Sitze waren fantasievoll, wenn auch wild bezogen und alle Trishaws waren über und über mit Kunststoffblumen in den grellsten Neonfarben verziert, die im Dunkeln sogar ein leuchtendes und blinkendes Eigenleben entfalteten, denn sie waren an einen Akku angeschlossen und sind wohl ähnlich wie unsere Lichterketten konstruiert. Selbst einen Booster hatten manche an Bord, der dann, wenn der oder die Fahrgäste es mochten, so laut aufgedreht wurde, dass im näheren und weiteren Umkreis alle anderen das uns sattsam bekannte westliche Liedgut der letzten Jahre ebenfalls zu hören bekamen. Und Hupen hatten die meisten, die mich jedesmal mit einem Riesensatz aus dem Weg räumten, wenn so ein Teil urplötzlich hinter mir betätigt wurde, weil der Fahrer glaubte, ich sei im Weg. Aber sie wurden auch zur Begrüßung anderer Trishaw Fahrer eingesetzt, was permanent für ein entsprechendes Konzert sorgte. Außerdem schien hier in Melaka die Monopolisierung des Fahrpreises zu funktionieren. Aller Orten standen höchst offiziell aussehende Schilder, auf denen in Amtsmalaysisch und genau solchem Amtsenglisch zu lesen war, dass für eine Stunde Trishawfahrt 40 Ringgit, also 8 Euro, zu löhnen sind. Da war dann auch nichts daran zu handeln, basta. Und sicher ist dieser Preis auch gerechtfertigt, denn eine Gangschaltung hatte keines der Gefährte, die ich gesehen habe und auf den Brücken oder an sonstigen Steigungen müssen sich die Fahrer ganz schön in die Pedale stemmen. Und so mochte ich bei meiner Sightseeing Runde an solchen Stellen nicht im Trishaw sitzen bleiben und bin zur Freude des Fahrers nebenher gelaufen. Ich habe zwar mein anfängliches schlechtes Gewissen inzwischen so weit besänftigen können, dass ich mir ab Hanoi dieses Vergnügen in jeder Stadt gönnen konnte, in der es diese fahrbaren Untersätze gab. Aber an solchen Steigungen in dem Gefährt sitzen zu bleiben, das ging dann doch nicht.

Etwas anderes hatte Melaka aber auch noch zu bieten, nämlich die schnuckeligste Unterkunft ~ das „Kancil Guesthouse“ ~ in der ich bisher auf meiner gesamten Reise abgestiegen war. Es befindet sich in einem älteren, typisch malaysischem Stadthaus, das wohl irgendwann 19-hundertund... gebaut worden sein dürfte und kaum „verschlimmbessert“ wurde. Mal abgesehen von so notwendigen Dingen wie Duschen, WC's und Elektrifizierung. In der nach draußen ebenfalls offenen Küche steht noch der alte gemauerte Herd, der zwar in seiner eigentlichen Funktion nicht mehr benutzt wird, aber auf dem eine heutige Kochplatte ihren Platz gefunden hat. Etliche Wände sind recht gekonnt von Backpackern bemalt worden, die auf diese Weise wohl ihre Dankbarkeit ausdrücken und sich natürlich verewigen wollten. Ansonsten gibt es vielen liebevoll zusammen getragenen älteren und jüngeren Krimskrams, was dem Haus ~ alles in allem ~ einen Charme verleiht, den man sich nicht entziehen kann. Es ist ein langes, schmales Reihenhaus mit über 3 Meter hohen Räumen, das einen Innenhof hat, der mit Blumentöpfen aller Art und einem Brunnen ausstaffiert ist und natürlich Tageslicht in die Mitte dieser langen Hütte bringt. An diesem Innenhof liegt mein Zimmer, mit Tür und Fenster zu diesem relativ großen „Loch“ in diesem Gebäude. Und wenn es nachts regnet ~ was es einige Male recht ergiebig tat ~ konnte ich die Wassermassen hören, die quasi auf diese Weise zwar mitten im Haus landeten, es aber nicht durchnässten. Im Gegenteil, das sorgte für neuen frischen und vor allem kühlen Atem in dem alten Gemäuer.

Außerdem verfügt es über einen relativ langen Garten, ähnlich der Häuser und Grundstücke in den 50er Jahren bei uns. Und dieser Garten ist wie eine Oase, die mitten in der Steinwüste einer Stadt ihren Platz gefunden hat. Fast zur Hälfte funktioniert dieser Garten als Terrasse, die mit einem traditionellen Palmblätterdach versehen ist, wie ich sie auch schon in Kambodscha, Laos usw. gesehen habe, so dass ich es hier jederzeit gut aushalten konnte. Und das Schärfste, bis hier nach draußen auf die Terrasse reicht der Wifi Hotspot, so dass ich hier nicht nur frühstücken und lesen, sondern mich auch mit meinem Notebook beschäftigen konnte. Es gibt zwei kleine Teiche mit Kois, interessante Sing- und sonstige Vögel, blühende tropische Pflanzen, Bananenstauden, einen Mangobaum, ziemlich hohe Bambuspflanzen, einen tropischen Nadelbaum, 2 alte hölzerne Latrinen ~ von denen ich nur deshalb weiß, dass sie diese Funktion einmal hatten, weil es eingeschnitzt ist ~ in denen Gartengerätschaften aufbewahrt werden, eidechsenähnliche Tiere, aber größer als unsere, abends manchmal riesige Käfer, die brummend das Licht ansteuern und fast wie Maikäfer aussehen, aber dreimal so groß sind und einen ca. 50 cm langen Waran, der hin und wieder auftaucht. Und auf Grund der Teiche leider jede Menge kleiner fieser schwarzer Moskitos, deren Stiche gemeiner und länger jucken als üblich. Gegen diese Biester versuchte ich mich das erste Mal mit einem Anti-Mücken Mittel zum Aufsprühen zu schützen, als der Dauerluftstrom des Ventilators sie doch nicht vertrieb, wie man mir gesagt hatte. Das aber lag daran, dass ich den Schwingmechanismus rausgenommen und den Luftstrom direkt auf mich gerichtet hatte, weil ich annahm, dass diese Viecher nicht dagegen anfliegen könnten. Pustekuchen, sie näherten sich im Windschatten und griffen dann von hinten an. Bis mir der Guesthouse Owner verklickerte, dass diese Mücken-Abwehr-Maschine nur funktioniert, wenn der Ventilator hin und her schwenkt. Und als Einheimischer hatte er natürlich Recht. Aber zusätzlich habe ich mich dieser Plagegeister auch immer wieder erwehrt, indem ich so viele wie eben möglich im Sinne des Wortes platt gemacht habe. Es war mir jedes Mal ein innerer Reichsparteitag, wenn ich wieder eine aus dem Verkehr ziehen konnte.

Abgerundet, besser aufgewertet, wurde der Eindruck des Anwesens noch durch seinen Eigentümer Daud und seine Mitarbeiterin Noranni. Beide einfach zum Knuddeln. Wobei er immerhin auch schon 61 ist und ursprünglich von Sri Lanka stammt und chinesische Anteile haben dürfte. Er erzählte mir, dass dieses Haus ein sogen.
„timber wood“ Haus ist, womit gemeint ist, dass es in der alten malaysischen Bauweise aus Balken und Brettern erbaut wurde. Und das bedeutet dann u.a. dass die Decke nur aus einer Balkenlage mit Brettern besteht, die keinerlei schalldämmende Maßnahmen aufweist, so dass jedes Geh- oder sonstige Geräusch ungefiltert nach unter oder nach oben dringt. Am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig, aber da auch hier z.Z. weniger Gäste aufliefen, kam ich damit gut klar.

Dieses Haus mit seinem Garten und seinen Menschen waren der Grund, der mich in Melaka länger hielt, als es normalerweise der Fall gewesen wäre. Aber hier bot sich mir die Ruhe, die ich in Cha Am gesucht und wegen der Komplikationen nicht gefunden hatte. Dennoch befassten sich meine Gedanken so langsam mit dem nächsten Schritt, den ich eigentlich in den anderen Teil Malaysias, nach Borneo per Schiff setzen wollte. Das aber scheint etwas so Ungewöhnliches zu sein, das mich jeder groß anschaute, den ich danach fragte. Fliegen ja, Schiff nicht mehr, da die Flugtickets dorthin nur noch ein Taschengeld kosten, so dass es mich schon in Versuchung brachte. Denn der billigste Flieger hätte mit einem Return Ticket gerade mal 32 € gekostet ~ zuzügl. Steuern und anderer Abgaben ~ wenn ich den Flug einen Monat im Voraus gebucht hätte. Aber ich werde in Singapur erneut nach einem Schiff fragen und wenn es von dort aus auch nicht möglich ist, dann wird es halt von Indonesien aus, genauer gesagt Jakarta möglich sein. Denn dass von dort aus ein Schiff auch den malaysischen Teil Borneos ansteuert, weiß ich bereits von Freund Torsten, der auf diese Weise schon vor mir auf die Insel gelangt ist. We will see.

Das Wort Kancil steht übrigens für
„mouse-deer“ ~ auf Deutsch, Kleinkantschil, ein Wort oder Tier, von dem ich vorher nie gehört hatte ~ einem kleinen rehähnlichen Tier, das auch im Wappen Malaysias vertreten ist. Die Geschichte ~ vielleicht auch Legende ~ sagt, dass ein Prinz und Sultan von Sumatra (Parameswara hieß er) annoschnuff hier mal an Land ging um zu jagen. Und während er unter einem Baum Rast machte, beobachtete er, wie so ein Tier seine Jagdhunde, die es angegriffen hatten, Stück für Stück die Nasen polierte und unversehrt entkam. Das hielt der Prinz für ein gutes Omen und gründete hier sein neues Reich im Exil. Und da er unter einem Melaka Baum saß, wurde die noch zu gründende Stadt Melaka genannt. Das alles passierte bereits 1396. Und da Daud's Guesthouse an der Jalan Parameswara liegt, führte das wohl zu dem Namen. Sicher ein ebenso gutes Omen, wie damals für den Prinzen, wenn ich mir so überlege, was an Positivem ich über ihn und sein Haus gesagt habe. Daud erzählte einmal, als ich erwähnte, wie wohl ich mich hier fühlte und wie lange ich hier geblieben war, das jeder, der nicht nach drei Tagen die Kurve gekratzt hätte, Schwierigkeiten mit dem Abreisen bekommen habe. Und er führte Gäste auf, die einen Monat oder länger am Stück bei ihm gewohnt hatten. Das kann ich gut nachvollziehen.

Aber jetzt genug der Lobhudelei. Einen Negativpunkt hat sein Guesthouse schon, auch wenn er relativ ist. Es liegt etwas zu weit vom Zentrum an einem fürchterlich langen Jammer von Straße, die eine vom Verkehr total überforderte schmale Einbahnstraße ohne Bürgersteige ist. Wobei das zugleich auf viele, wenn nicht fast alle Straßen in Melaka zutreffen könnte. Denn bis auf die großen Ein- oder Ausfahrtstraßen scheint es hier nur Einbahnstraßen zu geben, die eben keine Bürgersteige haben oder wenn es welche gibt, sie anders genutzt werden, so dass die Fußgänger doch auf der Straße laufen müssen. Wenn ich hier entlang ging ~ besonders dann, wenn ich das mit dem Rücken zum Verkehr tun musste ~ empfand ich das jedes Mal als unangenehm, da man hier das Wort
„Sicherheitsabstand“ eher weniger kennt. Und so habe ich fast eine Art „Schief-Hals-Syndrom“ entwickelt, weil ich nur mit entsprechend verdrehtem Kopf diese Straßen benutze. Aber das Wissen um diesen mangelnden Abstand begleitet mich ja nun schon seit dem Baltikum und ist insofern nicht mehr neu.

An meinem letzten Tag in Melaka habe ich dann bei einem letzten Bummel, den ich mit der Suche nach ein paar kleinen Geschenken verband, etwas entdeckt, das schon fast heimatliche Gefühle auslöste. Beim Stöbern in einem Buchladen entdeckte ich bei den Kinderbüchern den Rattenfänger von Hameln auf malaysisch und englisch. Die kleine Muselmanin an der Kasse mit ihrem Kopftuch kannte diese Geschichte genau und freute sich, als ich ihr erzählte, dass ich aus Hameln komme und extra angereist sei, um das Büchlein hier zu kaufen. Als ich damals vor meiner Abreise in Hameln nach dem Rattenfänger in russisch, chinesisch usw. gefragt hatte, um sie als eventuelles Geschenk mitzunehmen, hieß es nur
„Gibt es nicht.“, so dass ich dann ganz darauf verzichtete. Aber hier kamen mir die beiden Büchlein gerade recht, da ich somit schon meine Geschenke hatte. Den malaysischen „Pied Pieper“ habe ich für Daud geschenkt und den englischen werde ich meinen ersten privaten Servas-Gastgebern in Singapur mitbringen. Jeweils mit einigen passenden Sätzen und einem Foto versehen. Jetzt bräuchte ich nur noch ein paar Brotratten, dann wäre es perfekt.

Ein paar Singapur Dollar habe ich mir auch schon besorgt und damit kann es dann auch losgehen, in die angeblich sauberste Stadt der Welt, in der Kaugummikauen auf der Straße verboten sein soll.

 

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