Rumänien ~ Tag 10

Mo. 21. Mai 2012

 

Den evtl. angedachten dritten Tag in Bukarest, unserer südlichsten rumänischen Stadt, haben wir uns dann geschenkt und sind nach dem vom Hostel gestifteten Frühstück wieder Richtung Norden nach Brasov / Kronstadt gestartet. Und wie das Reinkommen in die Stadt, war auch das Rauskommen etwas komplizierter, als bei anderen Städten. Seltsam, das linke Vorderrad eierte anscheinend immer noch.
Steffi führte uns dann jenseits der Autobahn an Ploieşti vorbei und erneut durch die Karpaten zu unserem ersten Ziel Sinaia, einer Art Luftkurort, der auch im Harz oder Sauerland hätte liegen können. Mit allem, was hier noch dazu gehört. Z.B. Peleş
Kastell, eine Sommerresidenz, angelehnt an den Zuckerbäcker Stil. Der erste rumänische König ~ nicht der Fußballer ~ hatte es in eine bezaubernde Landschaft geklotzt. Auch damals durfte es gerne schon ein viertel Pfund mehr sein. Da kam doch glatt ein wenig „Neu-Schwanstein-Feeling“ auf, auch wenn dieses Denk-Mal nur auf einem Hügel und nicht auf einem Felsenerbaut wurde.
Weil aber damals wahrscheinlich alles Geld für das Schloss verbraten wurde, reichte es im späteren Sinaia wohl nur zu einer Puppenstuben Tankstelle mit genau zwei Zapfsäulen und einen Platz für zwei Fahrzeuge. Jedes weitere konnte nur auf der stark befahren Ortsdurchgangsstraße warten, bis es an der Reihe war. Kleiner waren nur noch die „Flaschen-Tankstellen“ in Asien oder auch Marokko, an denen man das Benzin in 1,5 Liter Cola- und anderen PET Flaschen kaufen konnte. Wie jedes Mal, war ich begeistert darüber, was in anderen Ländern möglich ist. Außer bei Schlössern, Diktator- und Kirchenfürsten-Palästen heißt es wohl eher kleckern, statt klotzten.

In den 211 Kilometern, die bis Brasov auf dem Plan standen, waren auch die Abstecher zu den Burgen in Râşnov / Rosenau und Bran enthalten. Die in Râşnov war eine wehrhafte Burg ~ teilweise Ruine ~ an der mächtig renoviert wurde. Hier gab es eng aneinander gequetschte kleine Häuschen, in denen sich bei Gefahr Handwerker und andere in Sicherheit bringen konnten und die freigelegten Grundmauern einer Kirche.
Der touristische Tamtam mit Bogenschützen, mit denen man sich fotografieren lassen konnte, ein riesiger Parkplatz mit Verkaufsbuden, usw., und ein Trecker mit Anhänger, in dem Besucher auf den Burghügel befördert wurden, sowie ein Blick von oben auf den Ort und die Berge, rundeten ein Bild ab, das man allerdings nach meinem Dafürhalten nicht unbedingt gesehen haben musste.
Die Burg in Bran war da etwas anders gestrickt, auch wenn es hier noch stärker den touristischen Zulauf incl. bewachtem Parkplatz und einer noch größeren Menge Verkaufsbuden gab. Hier kauften wir dann eine Käsespezialität, die mit nach Haus genommen werden sollte, Schafskäse, der in Tannenrinde eingenäht worden war.
Da wir ihn an einer dieser Touri Verkaufsbuden kaufen mussten, weil er nur hier in kleineren Gebinden zu haben war, konnten wir Hartmut nicht zeigen / beweisen, wie man handelt. Denn an solchen Stellen sind die Verkäufer bei dem Rummel, der dort herrschte, fürs Handeln kaum noch zugänglich, weil sie längst gelernt haben, dass „normale“ Touristen die überhöhten Preise gerne zu zahlen bereit sind.
An und in dieser Burg ließ sich sehr schön erkennen, wie betuchtere Menschen hier früher gelebt haben, eine Weise, die auch mich durchaus ansprechen könnte. Mit dazugehörigem Burgfräulein hätte ich es hier gut aushalten können, zumal diese Bauten ~ wenn sie nicht der Verteidigung dienten ~ nicht nur vom König in Sinaia am liebsten an den schönsten Ecken des Landes erbaut wurden. Fürsten und sonstige niedrigere Chargen nutzten ebenfalls das Gebot der Stunde. Ob sich wohl in einigen hundert Jahren Touristenscharen mit gleicher Andacht in und um die heutigen Paläste der Banken, Versicherungen, Staatsoberhäupter usw. drängen? Wahrscheinlich ja, denn auch unsere Zeit wäre dann zur guten alten Zeit avanciert.
Wie dem auch sei, Dolly brachte uns erst einmal weiter nach Brasov, unserem eigentlichen heutigen Ziel, wo Steffi uns fast punktgenau bis kurz vor unser Hotel Postâvarul brachte. Allerdings war uns das wegen der Fußgängerzone, vor der wir gestrandet waren, noch nicht bewusst. Zumal sich der Hoteleingang in einer Seitenstraße befand und das Hotel noch auf einen zweiten Namen hörte. Dieser Bereich war aber besser zahlenden Gästen vorbehalten, wie wir beim Einchecken bemerkten.
Zuvor latschten Hartmut & ich erst einmal mit dem Lonely Planet Stadtplan los, um die Lage zu peilen, während Torsten mit Dolly die Stellung hielt. Und da Unterkünfte und anderes in diesen LP Plänen nur mit einem Symbol markiert sind, ist es gerade in solchen Situationen nicht immer ganz leicht ~ trotz Adressenangabe ~ das Gesuchte zu finden. Also suchten wir erst einmal wegen allgemein fehlender Hausnummern in der falschen Richtung und lernten dabei immerhin schon mal die mit Lokalen gut bestückte Fußgängerzone kennen. Nachdem wir das Postâvarul dann gefunden und unser Zimmer für nicht-besser-zahlende Gäste als gut eingeschätzt hatten, kam dann ein freundlicher Hotel Boy mit zum Auto, um Dolly zum hoteleigenen Parkplatz im Hinterhof zu delegieren. Auch er reihte sich in die lange Reihe der für unseren Vogel Begeisterten ein. Leider trafen wir ihn nicht wieder, denn wir hatten ihn, da er gut Englisch sprach, nach den Bären fragen wollen, die sich hier angeblich auf der Suche nach Futter bis an die Häuser am Stadtrand trauen, wo man ihnen dann begegnen kann, wenn man sich traut.
Hier hatte man uns wieder ein 3-Bettzimmer mit Bad + WC zugeteilt, in einem Hotel, das 1910 von einem Deutschen Architekten gebaut, und baulich nicht sonderlich verändert worden war. Es gehörte sogar ein Restaurant dazu, das wir aber leider erst am anderen Morgen entdeckten. Das Restaurant mit dem Namen des Hotels hatte sich dem Jugendstil verpflichtet, wenn auch mit einigen Stilbrüchen, zu denen auch der Ober gehörte. Er war etwas tranig unterwegs, was so gar nicht zu der Zeit passte, die das Restaurant vermitteln wollte. Aber es hätte, wie es schien, auch einheimische Gerichte anzubieten gehabt. Was wir leider verpassten.

Da wir schon gegen 17 Uhr angekommen waren, blieb noch Zeit für unseren ersten Erkundungsgang, endlich mal wieder bei schönem Wetter. U.a. zur Biserica Negară
(Schwarze Kirche), die ihren Namen einem Brand zu verdanken hat. Sie ist die größte gotische Kirche zwischen Wien und Istanbul, war aber leider Montags geschlossen, so dass wir die überall aufgehängten türkischen Teppiche und die einzige original erhaltene Buchholz Orgel aus Berlin mit 4000 Orgelpfeifen nicht zu Gesicht bekamen. Was nicht sooo tragisch war, hatte ich doch bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal etwas von diesem Orgelbauer gewusst.
Stattdessen fanden wir heraus, dass Italien in Brasov gut vertreten zu sein scheint, denn in dem Lokal, in dem wir zu Abend aßen und dort, wo wir nach unserem Stadtmauerrundgang noch ein Käffchen schlürften, wurde z.T. von den Gästen und der Bedienung italienisch gesprochen. Möglicherweise bewiesen aber auch nur die Rumänen einmal mehr ihr Sprachtalent.

 

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