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Zugfahrt nach Irkutzk

Etappe 14 ~ v. Di. 02.10. bis Sa. 06.10.2007

 

Nachdem nun alles super-fantastisch-locker-und-leicht geklappt hatte, saß ich seit einer knappen Stunde im Zug und war auf allen Ebenen ~ für mein Empfinden ~ so was von abgefüllt, dass ich es selber kaum zu glauben vermochte. Ich hatte in der Zeit, ausgehend von einem mittleren Zahnputzglas, ungefähr die Menge von 6 oder auch 8 dieser Gläser mit einem zugegebenermaßen gut schmeckenden Kräuterschnapses vertilgt, was meinem Eichstrich ziemlich nahe kam. Und außerdem von ca. einem halben Schwein das weiße Fett mit geringsten Fleischanteilen in gekochter Form plus Salz plus Weißbrot gemampft. Zusätzlich aufgewertet wurde das Ganze durch leckere, mit Knoblauch eingelegte Möhrenscheiben, sowie eine fantastische mayonnaiseähnliche Masse mit Gurkenstücken. Ebenfalls mit reichlcih Knobi. Mehrere hart gekochte Eier und ein süßer Früchtenachtisch, sowie genauso süße Bonbons und Pralinen rundeten den Schmaus ab. Und nicht nur den. Mein Bauch verriet, dass ich mindestens im sechsten Monat sein musste, und da einfach nicht mehr rein ging, hatte ich zwischenzeitlich das Handtuch geworfen. Bis dahin hatten wir gemeinsam aus den Gläsern getrunken und gegessen, mit einer genauso gemeinschaftlichen Gabel. Wie hätte das auch ausgesehen, und was hätte es für einen Eindruck gemacht, wenn ich mein Plastikbesteck rausgekramt hätte? Aber da ich ja eh zu einer der Generationen gehöre, die quasi noch den Dreck von der Straße verputzt hat, weil Dreck den Magen nun mal reinigt und das Immunsystem stärkt ~ das war damals noch allgemein bekannt ~ hatte ich keine Bedenken gegen diese praktische Art und Weise gemeinsam zu essen.
Wieso das alles passieren konnte? Nun, ich teilte
mein Kupee ~ oder auch Abteil ~ auf den ersten zig Kilometern mit einem älteren Russen, der ~ wie ich ~ kein Wort der Sprache des anderen sprach (wobei ich es ja immerhin auf 10 oder 15 brachte, plus Lesenkönnen seiner Schrift), der Gott sei Dank nach ca. zweitausendachthundert Kilometern in Omsk ausstieg. Ich würde die Fahrt sonst kaum überlebt haben und wünschte mir, dass eine Einladung in dieser Form die einzige bleiben würde. Teifi aber auch. Allerdings hatte ich da so meine Befürchtungen, zumal ich mich ja mit meinen eigenen Köstlichkeiten ~ ich hoffte, dass er sie als solche empfinde würde ~ auch noch bei ihm revanchieren möchte. Was dann natürlich ein weiteres Gelage bedeutet hätte.
Es blieb mir erspart, denn er wollte meine Einladung absolut nicht annehmen, möchte ich schon mal vorausschicken. Dennoch kam mir die Tatsache, als er dann tatsächlich in Omsk ausstieg, ganz komisch vor. Wir trennten uns mit einer gewissen Wehmut.

Nun denn, da saß
ich nun in einem typischen russischen Fernzug von Moskau nach Wladiwostock, der nicht mit Touristen aus aller Herrenländer gefüllt war, sondern ausschließlich mit Russen, Sibiriaken und Artverwandten. Niemand meinesgleichen war wagonauf, wagonab zu entdecken. Hinzu kam, dass dieser Zug demTraumzug Transsibirienexpress vieler Normal-Reisender aus D, EU oder wo her auch immer, auch sonst kaum nahe kommen dürfte, war er doch in jeder Hinsicht weniger komfortabel. Als Waschgelegenheit gab es nur die Mini-Waschbecken in den WC's am Anfang und Ende jeden Wagons. Eine Duschmöglichkeit existierte nicht. Vier Tage lang (für mich) oder länger für den einen oder anderen ~ falls es bis Wladivostok gehen sollte ~ war damit Katzenwäsche angesagt. Und bei so einer Wäsche klaute man mir dann auch gleich am nächsten Morgen mein pinkfarbiges Daniel Hechter Poloshirt, eines der wenigen Teile, die mir unfreiwillig abhanden kamen.

Ich hatte gerade das WC- und Waschabteil ergattert ~ was morgens immer ein wenig Geduld erforderte ~ und mich so gut es ging eingeweicht, als gegen die Tür gebollert wurde, begleitet vom russischen Wortschwall einer weiblichen Stimme. Der Sinn war nur zu ahnen. Beeil dich, oder etwas in der Art, glaubte ich heraus zu hören und machte gemütlich weiter. Nicht ohne meine freundliche Antwort ~ auf Deutsch und Englisch ~ dass es noch einen Moment dauert.

Millisekunden später bollerte es erneut gegen die Tür, dieses Mal begleitet von der Stimme der Zugbegleiterin, was mich dann doch nachdenklich stimmte, einen Ernstfall vermuten und einen Gang schneller einlegen ließ, zumal ich alles erledigt hatte. Den Schienenstrang verziert ~ das kleine oder große Geschäft verteilte sich auf dem Schotter der Trasse ~ Wasser in die Luft geschleudert und drunter weggelaufen, die Beißerchen geputzt und besagtes Daniel Hechter Poloshirt gegen ein frisches ausgetauscht.

Leider hatte ich das gute Stück auf eine Haken gehängt, den ich, als ich die Tür öffnete, mitsamt meinem Poloshirt übersah und somit mitzunehmen vergaß. Das fiel mir jedoch bereits wenig später und wenige Meter weiter in meinem Abteil auf, und eilte flugs zurück. Mein Erstaunen war groß, als ich vor der sperrangelweit geöffneten Tür stand und nur noch feststellen konnte, wie schnell die Dame, die mich derart in Bedrängnis gesetzt hatte, doch mit ihrer Morgentoilette fertig geworden war. Nicht ohne mein Daniel Hechter Poloshirt mitgehen zu lassen. Aber ein bisschen Schwund ist ja bekanntlich immer, und mein Gepäck war auf diese Weise wieder etwas leichter geworden, ihres dafür etwas schwerer.

 

Sämtliche Fahrgäste hatten sich bereits kurz nach dem Start aus dem normalen Straßenzeug gepellt und in bequemere Joggingklamotten gehüllt, in denen auch geschlafen wurde. Und wie wohl in jedem russischen Zug, gab es in jedem Wagon einen großen Samowar ~ besser einen Boiler ~ der rund um die Uhr heißes Wasser für Tee oder Pulverkaffee lieferte, den man allerdings selber dabei haben musste.
Außerdem
verfügte jeder Wagon über zwei Zugbegleiterinnen, die sinngemäß als Mädchen für alles fungierten und die Kupees, Gänge und WC's sauber hielten. Letztere gar mehrmals am Tag und in der Nacht, was sie auf Grund rücksichtsloser Zeitgenossen auch nötig hatten.

Die beiden waren im allgemeinen freundliche junge Frauen, blau uniformiert, die aber auch sehr resolut werden konnte, wenn jemand zuviel Bier oder Wodka intus hatte und sich daneben benahm. Leider verstand ich nie, was sie mir erzählten und sorgte somit jedes Mal für Gelächter, wenn ich mit ihnen radebrechte. Sie teilten sich eine Kabine, wie ich später herausfand, in der abwechselnd eine des Nachts schlief, während die andere über alles wachte, die beiden WC's und den Gang wischte und ggfls. für Ruhe sorgte.
Zu Beginn der Fahrt eilte eine von ihnen durch die Gänge, um den Fahrgästen mitzuteilen, dass sie sich Bettwäsche plus Handtuch an ihrem Karbäuschen abholen sollten. In der Trans-Sib wird sie jedem Reisenden sicher gebracht und jedes Abteil dürfte um einiges größer sein. So, wie es dort auch einen Speisewagen gibt, während hier absolute Selbstversorgung stattfand, wobei alles entweder mitgebracht oder auf den Bahnsteigen bei den fliegenden Händlern gekauft wurde. Aber genau wie dieser Touristenzug fährt meiner auf den gleichen Schienen, der gleichen Strecke und durch die gleiche russische Altweiber-Sommer-Landschaft, in der sich das Laub mehr und mehr verfärbt. Indiansummer-feeling taucht auf. Dabei haben wir hier immer noch dieses Superwetter, das mich bereits in Moskau begleitete und es war entsprechend warm. Was wiederum bedeutete, dass im Zug nahezu Trocken-Sauna-Temperaturen herrschten, jedenfalls für mich. Und das auch des Nachts. 27 Grad habe ich später auf einem Thermometer im Gang gelesen. Ein Grad mehr, als es in Moskau Tagestemperatur hatte. Wie ich dabei schlafen sollte, war mir von Anfang an ein Rätsel. Russen scheinen ein verfrorenes Volk zu sein, was auch an ihren Klamotten, die sie vielfach übereinander trugen, abzulesen war.

Anfangs hatte ich ja noch angenommen, dass die Temperatur nachts abgesenkt würde, oder dass sich das Fenster öffnen ließe. Dem war jedoch nicht so, was ich mehr als bedauerte. Immerhin hatte ich den unteren Schlafplatz, zu dem die Wärme ja physikalisch nicht absteigt, wie es heißt. Nur brachte diese Tatsache herzlich wenig, weil der kleine Raum derartig hitzegeschwängert war, das es keinerlei Gefälle in irgendeine Richtung mehr gab. Man hätte ohne weiteres Kücken ausbrüten können. Und in diesem Brutkasten wurde ich mehrmals in der Nacht kurz vom Hitzeschock wach, stand auf und marschierte ans Ende des Wagons. Dort, wo die einzelnen Wagons aneinander gekoppelt sind, war es kühl genug, um mich so weit abzukühlen, dass ich den nächsten Horchgang an der Matratze wagen konnte. Leider war das auch der Platz für die Raucher, die ansonsten Gott sei Dank nirgends rauchen durften.

Aber bevor ich all das herausfand, hatte ich erst einmal noch genügend mit diesen Kräuterlikör zu tun, denn die Pulle war ja bereits mehr als halbleer bei meinem Ausstieg aus dem
„Allohohltrip“. Wahrscheinlich war der Inhalt selbst gebrannt, zumindest hergestellt und das mit hoher Prozentzahl. Und so war es kein Wunder, dass ich mir mit glasigem Blick in dem kleinen Spiegel auf der Abteilwand gegenüber begegnete. Nicht von schlechten Eltern, kann ich nur sagen. So verschwommen hatte ich lange nicht mehr aus der Wäsche gekuckt. Ich hing ganz schön in den Sielen.
Und so saßen wir beide friedlich auf unseren Plätzen und j
eder machte Seins.Er las Zeitung, und ich versuchte fröhlich auf meiner Tastatur klimpernd das auf die Festplatte zu bekommen, was gerade passiert war. Am liebsten hätte ich mich lang gemacht und 'ne Runde geratzt. Mein Pegel schrie regelrecht danach, zumal das Sitzen auf diesem Kombinationspolster nicht besonders gemütlich war. Die Abteilwand mit einer gepolsterten Blende für die Schultern ist für anders konstruierte Menschen als mich gedacht, sie sieht zwar so aus, als ob sie den Komfort erhöhen könnte, betont aber nur die Unbequemlichkeit. Das Teil sitzt für mich in einer absolut unergonomischen Höhe und ist damit eher störend. Meinem Kompagnon schien es ähnlich zu gehen, denn auch er saß vorgebeugt, statt angelehnt.
Wie es wohl sein / gehen würde, in der Nacht, auf dieser kunstlederbezogenen, gepolsterten und nur luftmatratzenschmalen Bank? Na ja, immerhin kam ja noch die matratzenähnliche Auflagematte dazu, die das Liegegefühl positiv unterstützte. Aber ich müsste doch mal mit jemandem plaudern, der der schon in dritten Klasse gereist ist. Und mit jemandem, der die erste ausprobiert hat. Na ja, bei dem stolzen Preis von über 10.000 Rubel ~ mehr als 300 Euro ~ müsste da schon 'ne Steigerung kommen, meine ich. Sie auszuprobieren, gelang mir nicht, sie zu sehen auch nicht. Aber wenigstens das Geheimnis der dritten Klasse habe ich noch während der Fahrt zu lüften vermocht, denn der Folgewaggon war damit ausstaffiert. Sie ist kaum anders, nur komplett offen. Und höllisch warm war es dort auch. Das Bild erinnerte an einen Lazarettzug, den ich mal in einem Film gesehen hatte.

Erst einmal aber war ich heilfroh, dass Schluck-Pause war ~ sowohl beim Schnapstrinken, als auch beim Futtern der russischen Hausmannskost. So konnte ich mich doch langsam wiederfinden und so gut es in meinem Glimmer ging, ein paar Zeilen schreiben. Wie ich beim Schreiben schnell feststellte, würde es 'ne Menge zu korrigieren geben, bei den vielen Tippfehlern. Leider habe ich diese Korrektur später durchgeführt. Ich hätte die vielen Tippfehler behalten sollen, als Beweis der Wirkung des Kräuterlikörs oder als mahnendes
Beispiel. Aber erst einmal hatte ich das gesamte Prozedere hier lebend zu überstehen, denn mein Rasputin ~ auch wenn er optisch nicht an ihn erinnerte ~ war zwischenzeitlich entfleucht und kam stolz mit 2 Flachen Bier und einem Tüten-Snack zurück. Und ich, ich kriegte es bei diesem freundlichen Kerl wieder nicht fertig, meinen Sprachfehler ~ nicht energisch genug Nein sagen zu können ~ endlich einmal abzulegen.
Dieser Snack, den mein Russe mir mit blitzendem Goldzahn-Lachen nun andiente, musste ~ seinem Eifer nach ~ etwas Besonderes sein. Er gehört wohl unbedingt zum Bier dazu, wie bei uns die gesalzenen Erdnüsse an der Bar. Doch statt Erdnüsse befanden sich in der Tüte gesalzene Mini-Plattfische, die fürchterlich rochen, wie ein Fischmarkt vom Vortag. Die Fischchen machten den Eindruck, als wären sie im Wäschewringer plattgewalzt und getrocknet worden. Der größte war fast handtellergroß und bot somit einiges an Knabbervergnügen. Aber auch die kleineren knusperten wir komplett als würziges Häppchen, jeweils mit 'nem Schluck Bier.

Trotz des intensiven Duftes, hatte ich mich auch zu diesen Leckereien überreden lassen, incl. Bier. So ganz hatte ich mich wohl doch noch nicht wiedergefunden. Wobei ich sagen muss, dass mir die Kombination mit dem Bier ganz gelungen erschien, und ich mich auch noch durch diesen Extra-Gang quälte, aber dann den nächsten und übernächsten und alle weiteren energisch ablehnte, jedenfalls so weit sie alkoholisch waren. Und zwar so energisch, wie ich es von Anfang an hätte tun sollen, was mein Verführer natürlich überhaupt nicht verstehen konnte / wollte. Immer wieder holte er Nachschub und bot mir etwas an. Er lachte sich 'nen Ast, wenn ich mich schüttelte und auf meinem Njetbestand. Nebenbei schien er sich überhaupt über seine Leistung, mich abgefüllt zu haben, zu freuen. Zumal ihm, dem großen Trinker, nicht das Geringste anzumerken war.

Gott sei Dank bekam ich am nächsten Bahnhof Verstärkung. Eine junge Frau und ein junger Mann ~ beide leicht asiatisch aussehend ~ füllten unser Kupee nun fast bis an die Schmerzgrenze. Denn mit ihnen wurde es noch enger oder auch gemütlicher, je nachdem.

Wie schon gesagt, eine Liege hat ca. Luftmatratzenbreite und davon gibt es, wie ebenfalls gesagt, je 2 Stück übereinander durch einen schmalen Gang von ca. 60 cm Breite getrennt. Meine ehemals großzügigen 2 Hostel-Quadratmeter schrumpften rigoros auf den amtlich genehmigten Platzbedarf eines Legebatteriehuhnes. Um halbwegs vernünftig auf seinen Platz zu gelangen, turnte man immer wieder ganz schön umeinander herum.

Wie schnell klar wurde ~ da sie als einzige in der ganzen Reisendenschar einige Brocken Englisch sprach ~ hatte sie entweder eine chinesischen Mutter und einen russischen Vater, oder umgekehrt. Der junge Mann gehörte chinesischerseits zur Familie, war frisch aus China gekommen, und wollte nun in Russland zu leben, sprach aber noch keinen Fatz Russisch.
Manches, was ich da erfuhr, musste ich raten, aber im Großen und Ganzen dürfte es wohl passen. Auf jeden Fall waren die beiden nett und sie außerdem als Kind zweier Kulturen auch noch hübsch. So hübsch, dass das einzige Foto, was ich von ihr machen durfte, unscharf geriet, weil ich nicht lange genug fokussierte. Die entzückende Tanja sollte fast bis zum Schluss meiner Zugfahrt die einzige sein, mit der ich auf Grund ihrer ca. 88 Brocken Englisch in Kombination mit meinen 15 Worten Russisch ein paar Worte mehr wechseln konnte als
„da, njet, spassiba“ usw. Mein Kauderwelsch Sprachführer unterstützte mich nach besten Kräften.
Erst am vorletzten Tag sollte ich mittags ab Krasnoyarsk Gelegenheit bekommen, mit Olga, einer aus Irkutzk stammenden, in der Touristikbranche arbeitenden und ebenfalls bezaubernden jungen Frau wieder durchgängig Englisch zu sprechen. Für mich ein weiteres gutes Zeichen, noch bevor ich überhaupt in Irkutsk angekommen war, und eine interessante Erfahrung, über einen längeren Zeitraum außer in Selbstgesprächen, mit niemandem mehr verständlich reden zu können. Ich muss gestehen, dass ich mir das einfacher vorgestellt hatte. Aber das hatte ich davon, da ich ja diesen Trip in dieser Form hatte machen wollen. Wobei ich allerdings angenommen hatte, ja, fest davon überzeugt war ~ zumindest was die Sauferei anging ~ ihr locker aus dem Weg gehen zu können. Das wurde ab dem Moment, als Tanja und ihr Cousin unser rollendes Heim mit zusätzlichem Leben füllten, auf jeden Fall leichter, denn Sascha (wie kann ein Chinese nur Sascha heißen? da wusste ich noch nicht, dass jeder junge Chinese, der etwas auf sich hält, immer auch einen westlichen Namen hat), weigerte sich vom ersten Moment an, auch nur den kleinsten Schluck zu akzeptieren. Und klug geworden durch meine Erfahrungen, schloss ich mich ihm an.
Auch wenn
Tanjas Englisch etwas mager war, haben wir dennoch über alles Mögliche zu reden, bzw. es zu erraten versucht. Was recht gut klappte, denn immerhin glaubte ich bald über ihre Familie fast alles zu wissen ~ und sie von mir. Immerhin konnte sie mir in mancher Situation sehr schön helfen. Z.B. als der Akku meines Notebooks schlapp machte, und ich ihn pfiffigerweise im Gang an die dortige 220 Volt Steckdose anstöpselte. Nur dauerte es nicht lange, bis eine der beiden Schaffnerinen vor mir stand und mir irgendetwas zu vermitteln versuchte. Nur was? Das einzige, was ich mitkriegte, war „njet“,verstand aber nicht recht, was oder wem ihr Nein galt. Bis Tanja sich einschaltete. Was ich nun zu verstehen glaubte, war, dass diese Steckdose aus irgendeinem Grund nur für den Kurzbetrieb geeignet sei und dass es möglich sein könnte, dass mein Computer Schaden nehmen könne. Stattdessen sollte ich ihn später (ca. gegen 22 Uhr) zur Schaffnerin bringen, die den Akku dann an einer geeigneteren Steckdose aufladen würde.
Gesagt, getan. Und dann erlebte ich wieder einmal Erstaunliches. Sie stöpselte mein Notebook in dem zweiten WC unseres Wagons, direkt neben ihrem Karbäuschen ein und schloss die Tür von außen ab. Später bekam ich ihn dann aufgetankt zurück. Nur schade, dass das tagsüber nicht funktionierte, da die Toilette natürlich gebraucht wurde. Tanja lieferte noch ein Argument, dass nämlich ihr Boss so etwas nicht gerne sähe und es deshalb nachts passieren müsse. Und nun begriff ich auch den Sinn des Wo
rtes „notch“, das ich immer mit Null = nichts o.ä., und somit als anderes Wortfür „njet“ übersetzt hatte~ „notch“ aber bedeutet Nachts.
Und nachts passierte es dann auch, dass ich dachte, ich könnte meinen Augen nicht mehr trauen ~ dabei hatte ich wirklich keinen Tropfen mehr angerührt. Wir waren bereits ein ganzes Stück hinter Novosibirsk, als ich wieder einmal aufwachte, weil mir wegen der tropischen Hitze
„caramba, der Blut kochte“. Ich schaute aus dem Abteilfenster, weil alles so hell aussah und blickte auf eine Landschaft unter einer dicken weißen Decke. Etwas, was mir durchaus bekannt erschien. Konnte es sein, dass es hier Anfang Oktober bereits das geben könnte, was ich da zu sehen glaubte?

Es konnte, denn auch, nachdem ich mir die Augen eines klareren Blickes wegen gerieben hatte, erwies sich die Fata Morgana als beständig. Draußen lag dick und fett Schnee in einer Form, wie ich ihn schon länger bei uns nicht mehr gesehen hatte. Selbst am Morgen rauschte die schneebedeckte Landschaft in prächtigster Morgensonne Kilometer um Kilometer auch weiterhin an uns vorbei. 15 oder gar 20 cm mussten das locker sein und diese Zentimeter erzeugten nun draußen ein völlig anders Bild, eine Bilderbuchlandschaft quasi, die allerdings erst einmal nur einige hundert Kilometer anhielt und sich dann allmählich wieder in die „normale“ steppenähnliche Landschaft zurückverwandelte. So ganz wollte mir der Gedanke auch noch nicht schmecken, später in Irkutzk schon durch Schnee stapfen zu müssen.

 

Anfang

 

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